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20 Jahre Berlin Tasting: Erntedank für Eduardo Chadwick
Eduardo Chadwick hat bereits mehr als 40 Weinernten auf seinen Weingütern in Chile begleitet. Als er mit seinem Vater im Jahr 1983 das verschlafene Weingut Errázuriz im Aconcagua Valley reaktivierte, bestand die Bodega nur noch aus ein paar Hektaren Rebland.
Von René Gabriel am 05.10.2024
Heute ist der Familienbetrieb zu einem veritablen Imperium mit mehreren Weingütern angewachsen. Die Palette reicht über alle marktwichtigen Traubensorten zu sehr erschwinglichen Preisen bis hin zum Paradepferd Viñedo Chadwick. Dabei ist die Bezeichnung «Paradepferd» gar nicht so unangebracht. Denn auf dem heutigen Rebberg spielte Eduardos Vater Don Alonso früher Weltklassepolo. Heute dreht sich aus demselben Boden auch wieder alles um Weltklasse. Mit dem Jahrgang 2021 Viñedo Chadwick ist hier eine hochdotierte Legende entstanden, welche sich im Markt aktuell um 400 Franken pro Flasche verkauft.
Chadwick ist in seinem Erscheinungsbild stets smart geblieben. Gegen aussen! Gegen innen ist er ein umtriebiger, prosperierender Visions-Hardliner, der weiss, dass sich Hartnäckigkeit und Qualität letztendlich bezahlt macht. Doch das Motto «aller Anfang ist schwer» hat ihn zum Beginn seiner Karriere fast zermürbt. Er war überzeugt, dass es möglich war in Chile grosse Weine herzustellen. Solche, welche es mit Klasseweinen aus anderen Regionen mit vergleichbaren Rebsorten aufnehmen können. Und er produzierte diese Weine! Was fehlte, war die Reputation. Chile kannte man als Billigweinland. Bevor ein chilenischer Wein im Weltmarkt erfolgreich sein konnte, musste er a.) besser sein als die Konkurrenz, bei b.) günstigerem Marktpreis.
Aus einer Frustration heraus wollte er wissen, ob seine allerbesten Weine einem direkten Vergleich mit Weltklasseflaschen aus Napa, Bordeaux oder Toskana standhielten. Doch eine Frage keimte immer wieder an die Oberfläche. War dieses schmeichelnde Resultat eine Eintagsfliege? Diesen Vorwurf musste sich Eduardo Chadwick immer wieder gefallen lassen. Als Antwort organisierte er weitere Tastings in anderen Ländern. Mit anderen Verkostern und mit anderen Weinen/Jahrgängen. So in Kanada, in Brasilien, in Amerika, in London, in der Schweiz, in Hong Kong, in China, in Japan, in Südkorea. Alle Events liefen immer mit dem gleichen Erstlingstitel: «The Berlin Tasting». Und immer wieder brillierten seine Weine in den vordersten Rängen.
Aktuell feiert das legendäre «Berlin Tasting» das 20jährige Jubiläum und ist zu einem wichtigen Marketingtool für die Anerkennung der Chadwick Weine weltweit geworden. Mittlerweile benutzt Chadwick den initialen Titel, um seine besten Weine weltweit vorzustellen. Die grundsätzliche Anerkennung im weltweiten Vergleich ist dokumentarisch vorhanden. Jetzt geht es, in einem zweiten Schritt darum, zu beweisen, dass seine «Icons» auch über ein gewisses Alterungspotential verfügen.
Deshalb fand das am 1. Oktober 2024 im Ballroom vom Grand Hotel Dolder veranstaltete Tasting mit dem Untertitel «unkorking the Potential of Chile’s Terroir» statt.
THE FIRST BERLIN TASTING
In einer grossangelegten Blindprobe organisierte Eduardo Chadwick im Jahr 2004 einen Event in Berlin. Als Referenten lud Chadwick Stephen Spurrier M.W. ein. Er organsierte damals das legendäre «Paris-Tasting» bei welchem Bordeaux- gegen Napa-Weine antraten. Als zweiter Juror durfte ich als Co-Moderator durch den Event führen. Chadwick lud an diesem Blind-Tasting einflussreiche Kunden und Journalisten ein und bat sie, die dargebotenen verdeckt servierten Weine zu bewerten. Das Endresultat war eine absolute Sensation, die Rangliste resultierte zu seinen Gunsten.
1. Viñedo Chadwick 2000
2. Seña 2001
3. Château Lafite-Rothschild 2000
4. Château Margaux 2001
4. Seña 2000
6. Viñedo Chadwick 2001
6. Château Margaux 2000
6. Château Latour 2000
9. Don Maximiano Founder’s Reserve 2001
10. Château Latour 2001
10. Solaia 2000
Das bedeutete einen Meilenstein für die neue, chilenische Weingeschichte. Das Tasting sorgte weltweit für Furore. Journalisten nahmen die Thematik auf und wichtige Weinpublikationen berichteten von diesem «Berlin Tasting. Das war der Start für ein völlig neues Kapitel. Nicht nur für Errázuriz selbst, sondern auch für seine Konkurrenten.
THE BERLIN TASTING 2024
Als 20jähriges Jubiläum fand (wieder in Berlin) ein Revival zum ersten Tasting statt. Wieder wurde Weinprominenz eingeladen. Diesmal mischte Chadwick erstmals seinen Carmenère Kai unter die Cabernet-Blends. Mit Erfolg! Das Statement von Stuart Pigott:
«Eine Überraschung bei der Veranstaltung war die Aufnahme mehrerer Jahrgänge von Chadwicks Kai, einer Mischung, die von der Carmenere-Traube dominiert wird, die Ende des 19. Jahrhunderts aus Bordeaux nach Chile kam. Davon gibt es in Bordeaux nur noch eine Handvoll Hektar, da nach der Reblausplage keine grossflächige Neuanpflanzung erfolgte. Eduardo Chadwick erklärte, dass Carmenere eine komplizierte Traube sei, da sie spät gepflückt werden müsse, um aromatische Eleganz zu erhalten (um den Gehalt an Pyrazinen zu reduzieren – Substanzen, die für das Paprikaaroma verantwortlich sind). Wenn Sie jedoch zu lange warten, sinkt der Säuregehalt (und der pH-Wert steigt), was ihn in eine breite und schwere Richtung treibt. Die Kai-Verkostung zeigte, dass das Team von Chadwick auf dem Weg ist, auch diese Traube zu perfektionieren».
DON MAXIMIANO
Beim Don Maximiano handelt es sich um die angestammte, 1870 gegründete Familien Winery, welche mit dem Jahrgang 1983 reaktiviert wurde. Im Jahr 1990 pflanzte man erstmals Reben an Hügellagen.
Bis und mit dem Jahrgang 1994 war der «Don Max» ein 100%iger Cabernet Sauvignon. Beim 1995er wurden 5% Cabernet Franc beigefügt. Mit jeder Flächenvergrösserung und verschiedenen Bodenbeschaffenheiten wählte man zusätzliche Rebsorten, welche dann den Weg in eine neue Blendkomposition fanden. Anhand der verkosteten Jahrgänge kann man diese Evolution erkennen. Ab 2011 hielt der Malbec mit 5% Anteil Einzug und dessen Anteile wurden in den Folgejahrgängen systematisch erhöht. Beim just lancierten 2021 sind es bereits 22%. Meiner Ansicht nach hat das zu einem relevanten Stilwechsel geführt. Die Lagerfähigkeit wurde zwar erhöht, jedoch wirkt der Wein in den ersten Jahren reduziert und wenig kommunikativ. Da hilft in der Regel auch längeres Dekantieren nicht viel. Also heisst es warten, bis er reif ist.
100% Cabernet Sauvignon. Aufhellendes Weinrot mit rostigem Rand. Offenes, etwas erdig anmutendes Bouquet, getrocknete Pflaumenhaut, dominikanischer Tabak, Hirschleder, Curcuma, Kräuternoten, Zimt, der Duft von Eucalyptus. Immer noch intakt. Im Gaumen wirkt er verständlicherweise welk und etwas gezehrt. Zusammengefasst; der Duft fasziniert weit mehr wie der Körper. Eine Art Bordeaux der «alten Schule» der sich recht gut gehalten hat. Somit gibt es für ihn zwei verschiedene Wertungen: Nase; 18/20. Gaumen; 16/20. vorbei
84% Cabernet Sauvignon, 8% Carmenere, 5% Syrah, 3% Petit Verdot. Sattes, dunkles Purpur. Tiefgründiges Bouquet, Backpflaumen, Teer, Karbonileum, Cassis, Black Currant, dunkle Edelhölzer, Kaffee, Tabakblatt, feinwürzig und mit einer Nuance Eucalyptus klar seine Herkunft anzeigend. Im Gaumen konzentriert, fleischiges Extrakt, Lakritze, Holunder, etwas sandig im Fluss und so eine gewisse burschikose Art in der Verbindung mit seiner generellen Kraft anzeigend, mittellanges Finale. Gibt sich insgesamt eher als Food-Pairing-Wine. Immer noch sehr in Form und ohne Eile zu geniessen. Er zeigte sein Alterungspotential. 18/20 trinken
63% Cabernet Sauvignon, 22% Malbec, 8% Carmenere, 7% Petit Verdot. Sattes Purpur, violette Reflexe. Das Bouquet zeigte zu Beginn eine reduktive Note (obwohl der Wein vor dem Tasting zwei Stunden belüftet wurde). Beginnend mit Bakelit und Pneu Noten. Er brauchte Luft, bis er seine positiveren Nuancen offenbaren konnte. Nach einer Viertelstunde; Cassis, Brombeeren, schwarze Kirschen, Lakritze-Bonbons, Gewürznelken. Ist der Wein noch viel zu jung, um seine Chile-typischen Kräuternuancen zu zeigen? Es scheint im Moment so. Fleischiger Gaumen, konzentriertes Extrakt auf der Zunge, dunkle Frucht, schwarzer Pfeffer, wirkt noch etwas aufrauhend. Ist der Malbec eine sicherere Bank oder verändert er den Stil dieses Weines zu stark? Die Zukunft wird es weisen. Ich mag die früheren Jahrgänge momentan lieber. Zugegeben, da fehlen noch mindestens zehn Jahre Evolution in der Flasche. Also ist die Wertung in Richtung Potential zu verstehen. Kann/muss in seiner Entwicklung noch zulegen. 18/20 warten
Zur Kasse bitte! Die Preise neuer Jahrgänge liegen in der Schweiz um 70 Franken. Liegt auch im Gabriel-Keller. Also ist er es wert.
KAI CARMENERE
Mit Carmenère sind heute rund 7'200 Hektar in Chile bestockt. Das ist Weltrekord! In Italien ist es vor allem das Weingut Ca del Bosco, welches diese Rebsorte kultiviert. Früher war der Carmenere im Bordelais stark vertreten, verlor aber nach den Zeiten der Reblaus seine Popularität. Es gibt sogar ein Château Carmenère im Médoc. Beim Jahrgang 2022 sind 16% dieser Rebsorte, nebst Cabernet Sauvignon und Merlot, drin. Bei den klassierten Crus findet man den Carmenère nur grad im Château Clerc-Milon mit knapp einem Prozent.
Der allererste Kai trug den Jahrgang 2005 auf dem Label. Dieser Wein ist dem Carmenère gewidmet. Der einzige Jahrgang mit 100% Anteil ist der 2017er. Sonst werden Kleinmengen von anderen Traubensorten beigefügt; so Petit Verdot, Malbec oder Syrah.
96% Carmenere, 4% Petit Verdot. Recht dunkles Purpur, praktisch noch keine Reifereflexe. Offenes Bouquet, floraler Schimmer, blättrige Noten, Rosenpfeffer, Waldhimbeeren, Erdbeermarmelade. Also von den Fruchtkomponenten her tendenziell im rotbeerigen Bereich. Stoffiger Gaumen, sattes Extrakt, einerseits dropsige Noten, andererseits aber auch mit grünwürzigem Schimmer durchzogen. Er ist in seiner geradlinigen Art gut gereift und scheint sich jetzt auf seinem Höhepunkt zu befinden. Spannend der Wein und wunderbar gereift. 18/20 trinken
85% Carmenere, 11%, Syrah, 4% Malbec. Sattes Granat mit lila Reflexen. Intensives, pfeffriges Nasenbild, Goji Beeren, Kampfer, Zimt, Rosmarin. Kompakt und sich nur langsam öffnend. Feinfleischiger Gaumenfluss, gesunde, ausgeglichene Adstringenz, schöner Tanz zwischen roten und blauen Fruchtnoten, gebündeltes Finale. Ein Klassewein, der aufzeigt, dass Carmenère in dieser Form fast unvergleichbar wird. 18/20 warten
SEÑA
Viele der Top-Wineries produzierten damals schon einen «Paradewein». Will heissen; eine spezielle Selektion aus ausgewählten Cuvées oder Rebbergen lieferte die Grundlage für den besten Wein des jeweiligen Weingutes. Logischerweise war das auch gleichzeitig die teuerste Edition und sollte als Zugpferd für den Rest der Produktion und für das Ansehen der Winery sorgen.
Beim Seña war der Beginn eigentlich genau gleich. Nur die Vision war anders. Und das kam so: Der berühmte Napa-Winzer Robert Mondavi besuchte mit seiner Frau Margreth Biever das Weinland Chile. Er kannte sich nicht aus und suchte nach einem Chauffeur, der gleichzeitig die Weinregionen kannte. Man empfahl ihm Eduardo Chadwick.
Nach ein paar Tagen erkannte Mondavi, dass in den besten Regionen von Chile ein ähnliches Potential besteht, wie er es zu seinen Gründerzeiten in Kalifornien angetroffen hatte. Es entstand erst eine Freundschaft und dann ein Joint-Venture, welches dem Opus One (im Napa in Zusammenarbeit mit dem Baron Philippe de Rothschild) glich. Tim Mondavi übernahm die Prüfung eines Pilotprojekts und später auch Zusammenarbeit mit dem Errázuriz Team. Auch Tim besuchte alle wichtigen Weinregionen und ihm war klar, dass die Basis für einen «Icon Wine» aus dem Aconcagua Valley stammen musste.
Der erste Super Icon
Als im Jahr 1979 der erste Opus One auf den Markt kam, gab es dafür keine deklarierten, eigenen Rebberge und auch keine eigene Winery. Er war das Resultat aus den besten Chargen von Mondavis To Kalon Vineyard. Der erste Jahrgang vom Seña unterlag dem gleichen Prinzip. Die Ressourcen stammten vom Besten vom Besten aus der Produktion von Don Maximiano. Die Premiere vom 1995er-Seña erfolgte im Jahr 1997 in Santiago de Chile. Rund tausend Gäste waren an diesem Giga-Bankett eingeladen. Darunter auch ein gewisser René Gabriel. Es ist sehr schwierig, respektive sinnlos, bei den jungen Jahrgängen das Seña-Potential im Vergleich zu den Erstlingen auszuloten.
Die heutigen, komplett neu angelegten Rebberge liegen etwas westlich vom Weingut Errázuriz. Das Klima ist dort etwas kühler und ist somit optimal für eine längere Reifezeit. Es gibt dort auch eine eigene Winery, respektive ein Gutshaus für Repräsentationen. Die Jahresproduktion liegt aktuell bei etwa 100'000 Flaschen.
90% Cabernet Sauvignon, 5% Carmenère, 5% Merlot. 18 Monate in französischen Barriquen ausgebaut. Im dunklen Weinrot sieht man erste Reifezeichen, also ziegelroter Rand aussen. Das Bouquet erinnert an einen Bordeaux aus der früheren Zeit, Pflaumen, feuchte Baumrinde, Biermalz. Im Gaumen dreht er in einer Art Napa von früher und im Finale zeigen sich dann doch mehrheitlich klassische Chile-Kräuternoten. Ein schwieriges Jahr, ein gut erhaltener Wein. 18/20 vorbei
54% Cabernet Sauvignon, 21% Carmenère, 16% Merlot, 6% Petit Verdot, 3% Cabernet Franc. 22 Monate in französischen Barriquen ausgebaut. Mittleres Granat, rubiner, ziemlich transparenter Rand. Offenes minim ätherisches Bouquet, rotbeerige und pflaumige Aromen Tendenz, helle Hölzer, etwas Zedern im Duft. Weicher, charmanter Gaumen, cremige Tannine, aromatisches Finale. Wenn man alle Elemente zusammenzählt, überwiegen die Finessen dem Power. Eine Art Saint-Julien aus Aconcagua. 18/20 trinken
57% Cabernet Sauvignon, 21% Carmenère, 12% Malbec, 7% Petit Verdot, 3% Cabernet Franc. 88% der Ernte wurde in 22 Monate in französischen Barriquen ausgebaut. 12% in grossen Fässern. Dunkles Weinrot mit zart aufhellendem Rand. Intensives, vielschichtiges Bouquet, herrlicher Mix zwischen rot- und schwarzbeeriger Frucht und frischen Kräuternuancen. Saftiger, wohl balancierter Gaumen, gebündeltes druckvolles Finale. Ein grossartiger Sena. Da stimmt alles. Zwei Stunden dekantieren. 19/20 trinken
50% Cabernet Sauvignon, 27% Carmenère, 12% Malbec, 7% Petit Verdot, 3% Cabernet Franc. 88% der Ernte wurde in 22 Monate in französischen Barriquen ausgebaut. 12% in grossen Fässern. Sattes Purpur mit schier violetten Reflexen. Wuchtiges Bouquet, Cassis, Brombeeren, Kirschen, Pflaumen, floraler Schimmer und pfeffrig im Ansatz. Satter, konzentrierter Gaumen, fleischig und stoffig zugleich, das Finale schmeckt intensiv nach Holunder und Brombeeren. Die Gerbstoffe verlangen nach Flaschenreife und der Wein wird wohl erst so gegen 2030 in eine mögliche, erste Reife gelangen. 19/20 warten
60% Cabernet Sauvignon, 25% Malbec, 9% Carmenère, 6% Petit Verdot. 85% der Ernte wurde in 22 Monate in französischen Barriquen ausgebaut. 15% in grossen Fässern. Dichtes Granat in der Mitte mit rubinem Rand aussen. Wirkt im ersten Ansatz nobel und zurückhaltend, fein geschichtet mit viel dunkler Frucht und schwarzen Beerennoten, Lakritze und Edelhölzer, ein Hauch Vanille und zarte Röstnoten begleiten diese ersten Eindrücke. Im Gaumen ein Mustermass an Finessen, weil die Tannine oberseidig daherkommen. Auf der Zunge ist der Fluss noch etwas mehlig. Wurde just im Bordeauxmarkt lanciert. 19/20 warten
VIÑEDO CHADWICK
Vom Polopferd zum Paradepferd: Der Viñedo Chadwick hat in den letzten Jahren die Rolle des Leaders innerhalb des Chadwick Rennstalles übernommen. Dort wo einst sein Vater mit den Pferden Polo spielte, «spielt» Eduardo seit 25 Jahren mit den Reben. Was mit dem Erstlingsjahrgang 1999 begann, fand bereits mit dem 2000er einen ersten Höhepunkt. Denn – dieser damals noch hundertprozentige Cabernet Sauvignon gewann spektakulär das historische Berlin Tasting im Jahr 2004. Als erster chilenischer Wein wurden dem 2016er vom amerikanischen Weintaster James Suckling die begehrten hundert Punkte verliehen.
Doch es geht noch besser. Viel besser! Der bereits jetzt schon legendäre Viñedo Chadwick 2021 erhielt von gleich sechs Juroren oder Weinpublikationen diese Maximalpunktezahl. Jetzt auch von Gabriel, aber «nur» 20/20!
100% Cabernet Sauvignon, 18 Monate in französischen Barriques gereift. Immer noch sehr dicht, innen noch mit Granatschimmer, gegen aussen sieht man ziegelrote Reflexe. Offenes, reifes Bouquet. Es ist noch rot- und etwas blaubeerige Frucht da. Diese macht logischerweise aber den erdigen Tertiäraromen Platz. Eine pflaumige Süsse schwingt da noch mit und Edelhölzer. Es duftet nach kaltem Assam-Tee und Aromen von Rumtopf mit einem Amarena-Schimmer. Gereifter Gaumen, die Struktur wirkt minim gezehrt, was das nahende Ende seiner Genussreife anzeigt. Ein gelungenes Debut, denn dies war erst der zweite Jahrgang von noch recht jungen Reben. Ich nehme an, dass neuere Jahrgänge deutlich mehr Reifepotential in sich bergen. Das war damals ein verdienter Siegerwein der immer noch recht viel seiner damaligen Grösse reflektiert. Trotz allen Lobeshymnen; «it’s time so say good bye». 18/20 austrinken
100% Cabernet Sauvignon. 22 Monate in französischen Barriques gereift. Sattes Purpur mit aufhellendem, rubinem Rand. Intensives, dichtes Bouquet, ein würzig floraler Schimmer, vermischt sich mit intensiver primär rotbeerigen Fruchtnoten, Goji-Beeren und Erdbeeren. Er zeigt eine schöne Süsse im Untergrund und noch dezente Röstaromen in Form von Brotkruste. Stoffiger Gaumen, konzentriertes Extrakt, noch minim verlangende Adstringenz. Insgesamt wirkt er lang und ausgeglichen. Wer nach den typischen Chile-Aromen in bei diesem Wein sucht, der hat Mühe diese zu finden. Dafür schmeckt er nach Château Margaux und dies ist nicht als Billig-Kopie gemeint. Er befindet sich jetzt in einer sehr ansprechenden, ja sogar royal anmutenden Reife. 19/20 trinken
97% Cabernet Sauvignon, 3% Petit Verdot. 22 Monate Kellerreife. 80% in französischen Barriques, 20% in grossen Eichenfässern. Unglaublich dichtes Weinrot, mit Purpur, Rubin und sogar Violett durchzogen. Berauschendes Nasenbild, reife Frucht, tolle Würze, Edelhölzer, Malz und Pralinen. Alles begleitet von einem faszinierenden, parfümiert wirkenden Kräuterhauch. Dies in frischer bis getrockneter Form. Bereits das Nasenbild ist dokumentarisch gross und vermittelt einen fraglosen Weltklasseduft. Im Gaumen superkomplex, opulent ohne fett zu wirken, intensiv ohne sich alkoholisch zu geben. Die Tannine sind reichlich vorhanden und vermitteln ein immenses, bisher wohl noch nie so bekanntes Alterungspotential für einen Viñedo Chadwick, gebündeltes, enorm druckvolles Finale. Die allerbesten Chile Weine wurden oft als Icons bezeichnet, weil ihnen das Attribut Premier Grand Cru Classé als Attribut nicht zustand. Dieser gigantisch-geniale Wein vermittelt beide Deklarations-Elemente. Er ist nicht nur gross, vermittelt auch «endorphine Emotionen». 20/20 warten
96% Cabernet Sauvignon, 4% Petit Verdot. Ausbau; 18 Monate. 90% in französischen Barriques, 10% in grossen Eichenfässern. Dichtes Granat mit minim aufhellendem Wasserrand. Intensives Johannisbeerenbouquet, vermischt mit Himbeeren, roten Pflaumen und heller Brotkruste. Im zweiten Ansatz zeigt sich ein Hauch von Melisse und Earl Grey. Delikater Ansatz und stets neue Facetten freigebend. Die delikate Frische geht auch im Gaumen so weiter. Er gibt sich lang und endet aromatisch, auch wieder im roten Fruchtbereich. Eine tendenziell feminine Variante mit graziler Eleganz. Das kann man, im Grundwesen, allenfalls auch als «burgundisch» bezeichnen. Von der Art her, würde ich diesen Wein vor dem bulligen 2021er geniessen. 19/20 warten
Wie ist nun das Potential?
In der nachfolgenden Diskussion nach dem Tasting wurde ich gefragt, welche Potential-Rückschlüsse ich aufgrund der älteren Weine ziehen würde. Meine Antwort fiel tendenziell diplomatisch aus: Die frühen Jahrgänge sind anders produziert. Weniger konzentriert. Was den Viñedo Chadwick betrifft, auf jungen Reben basierend. Beim Seña sind die allerersten Jahrgänge nicht dieselben Ressourcen wie die folgenden Editionen. Und dann sind diese auch wiederum auf Basis von jungem Rebmaterial entstanden. Das gleiche gilt für die Hanglagen von der Carmenère-Version Kai. Die einzige, justierbare Konstante scheint mir beim Don Maximiano vorhanden zu sein. Alles mit einem Blick zurück ins Geschehen von gut oder mehr wie 10 Jahren. Jetzt greift die Zukunft für die Vergangenheit.
Auch Eduardo Chadwick lieferte den indirekten Beweis für die Gabriel-These, indem er seine jüngsten Jahrgänge (2021 und 2022) für seine bisher besten und auch versprechendsten Weine deklarierte.
René Gabriel bxtotal.com
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